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BaS_Print_02_2014

UNTERNEHMEN  Trading  Fonds  ZERTI FIKAT E  rohstoffe  Lebensart  AKTIEN & MÄRKTE Mehr Wert! Qualität von Bio-Lebensmittel als Wirtschaftsfaktor „Wirtschaft denken. Für ein an Werten orientiertes Handeln.“ So lautet derTitel des neuen Themenheftes der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller, einem Verband, in dem auch HiPP Mitglied ist. Der Titel erscheint beim ersten Lesen irritierend. Denn wir sind es gewohnt, Wirtschaft wie eine Art naturhaftes Geschehen anzusehen, das sich nur schlecht steuern lässt. Wie sollen wir „Wirtschaft denken“, wenn die globalisierte Wirtschafteinfach handelt? Wenn Finanztransaktionen sich in Millionstel Sekundenvollziehen und von Automaten gesteuert werden? Hinken wir Menschen dabei nicht immer ein Stück hinterher? Wir haben uns an die Sichtweise gewöhnt, dass Wirtschaft als ein ganz eigenes, selbstbezogenes System funktioniert, das eigene Werte und Gesetze hervorbringt unddarüber auch die meisten Bereiche unseres menschlichen Lebens dominiert. Eines dieser Gesetze lautet „Mehrwert“ um jeden Preis. In der Wirtschaft werden also nicht in erster Linie Werte oder Qualitäten geschaffen, sondern Gewinne erwirtschaftet. Für Fondsmanager ist es kein Kriterium, in nachhaltig wirtschaftende, an ökologischen, sozialen und ethischen Werten orientierte Unternehmen zu investieren. Sie sympathisieren vielleicht sogar mit einem solchen Investment, finden aber nicht genügend nachhaltig wirtschaftende Unternehmen am Markt vor, denn sie wollenum der Rendite willen ihr Geld breit streuen und vor allem in Unternehmen mit möglichst schnellen und hohen Wertsteigerungen investieren. Dem Begriff des „Wachstums“bin ich als Hersteller ökologischer Lebensmittel in ganz besonderer Weise verbunden. Aber dieser Begriff wirdim Zusammenhang mit Wirtschaft nicht mehr als natürliche Wertschöpfung gedacht, dem Wachsen aus dem Lebendigen.Wirtschaftlich gesehen, hat sich der Begriff Wachstum längst verwandelt zu einem unersättlichen „Immer-mehr“. Demgegenüber steht das „Immer-weniger“ der Verbraucher. Sie verfügen über immer weniger Real-Einkommen, weil die Belastungen höher werden und die soziale Schere zunehmendweiter auseinander klafft. Unter diesen Voraussetzungen verspüren die Verbraucherverständlicherweise auch weniger Bereitschaft,mehr für qualitativ hochwertige Lebensmittel auszugeben. Auch wenn das eine das andere bedingt, dieses Sparen an der Qualität scheint in Deutschland Tradition zu haben. In kaum einem anderen Land in Europa wird anteilig so wenig für Lebensmittel ausgegeben. Das wirkt sich besonders auf den Bio-Markt aus. Der Wettbewerb um den niedrigsten Preis trifft gerade den Bereich der Bio-Produzenten besonders hart. Deren Glaubwürdigkeit wird zentral durch die Qualität ihrer Produkte gestärkt, nur darüber entsteht Verbrauchervertrauen. Je mehr sich hier der Preisdruck verstärkt, je kleiner der relative Abstand zu konventionellen Preisen wird, desto mehr befindet sich die Bio-Qualität in Gefahr und Qualitätsverluste sind vorprogrammiert. Aktuell versucht die EU-Kommission, unter anderem mit mehr Bürokratie auf diese Situation zu reagieren. Mit ihren Vorschlägen für eine neue EU-Öko-Verordnung wendetsie sichdabei allerdings von bewährten Bio-Grundsätzen ab und empfiehlt Schritte, die nicht geeignet sind, dem Anspruch an eine Weiterentwicklung gerecht zu werden. Im Gegenteil: Die Umsetzung würde den Markt für Bio- Lebensmittel eher drastisch verkleinern. Zur Zeit sprechen die Bio-Umsätze eine deutliche Sprache: Gute Bio-Qualität erfreut sich einer großen Nachfrage. Dieser Markt darf nicht zurück in die Nische gedrängt werden! Sicher muss mehr hingeschaut werden um durch effiziente Kontrolle etwaige Verstöße aufzudecken. Hier wäre es hilfreich, durch gesetzliche Regelungen die vollständige Rückverfolgbarkeit der Lieferkette auf allen Ebenen der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung sicherzustellen. Ein solcher Vorschlag fehlt in der EU-Vorlage jedoch gänzlich. Dabei würde das allen Marktbeteiligten wirklich einen Mehrwert an Qualität bringen, nicht zuletzt den Verbrauchern. Hohe Qualität verbunden mit hoher Glaubwürdigkeit bietet auch heute noch Chancen auf ein unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sinnvolles Wachstum. Professor Nikolaus Hipp BÖRSE 38 am Sonntag · 1 1 | 201 4 Gastbeitrag


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