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BaS_Print_02_2014

AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  Trading  FONDS  ZERTI FIKAT E  Rohstoffe  Lebensart Was denken Sie über dieses Thema ? Schreiben Sie gerne direkt an den Autor Reinhard Schlieker unter schlieker@boerse-am-sonntag.de Nachhaltigkeit – man sollte das Wort genau genommen stets in Anführungszeichen schreiben, denn es ist eine Chimäre. Aber beliebt wie sonstwas. Von den Nachhaltigkeitsreports, die alle Dax- Unternehmen eilfertig auf den Markt bringen, seit grünes Denken chic ist, bis hin zu der utopischen und sich selbst widerlegenden Forderung, nur „nachhaltig“ mit den natürlichen Ressourcen umzugehen, reicht die Palette des politisch Korrekten dieser Tage. Besonderen Sinn ergeben muss das alles nicht, und es darf auch ruhig kontraproduktiv sein, Hauptsache die einschlägigen Lobbyisten von Greenpeace bis Attac haben ihre Schäfchen im Trocken, auf welchem aber auch mancher Kunde sitzt, der sich mit sogenanntem fairen Handel, ethischer Geldanlage oder grünen Investments unter anderem auch so etwas wie Rendite erhofft hat. Also, wenn man den Kampfbegriff ernst nehmen würde, müsste man von heute auf morgen auf jeglichen Verbrauch von Erdölprodukten verzichten, ferner auf Gas, gewisse Mineralien und dergleichen mehr, was im Boden schlummert und dort auch bleiben muss, denn es wird vom Planeten Erde nicht in nennenswerter Menge frisch nachgeliefert, fossile Brennstoffe heißen die Sachen ja ganz richtig. Übrigens dürfen die Enkel, denen wir das unangetastete Öl hinterlassen, es auch höchstens von ferne betrachten, denn deren Enkel wollen ja auch noch was, und so weiter bis in ca. sieben Milliarden Jahren, dann ist die Sonne nämlich verpufft. Der Elan der grünen Jüngerschaft hält aber sicher länger. Was fair ist im Handel, bestimmt bei uns eine zusammengewürfelte Schar guter Menschen, und nicht etwa das Marktgesetz von Angebot und Nachfrage. Jene Kaffeebauern, die nicht in den Fokus der Fairness Aktivisten geraten, haben Pech gehabt. Jene Konsumenten, die keine von einer Interessengruppe festgesetzten Preise zahlen können, dito. Erstere, weil die höheren Erlöse ihrer Konkurrenten diese befähigen, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und im Ernstfall noch zur Folge haben, dass Geldentwertung droht. Letztere sollen halt abwarten und Tee trinken, bis der auch fair gehandelt wird, jedenfalls. Die Kampagne verhindert im Übrigen auch, dass eine Marktauslese stattfindet: An sich nicht überlebensfähige Unternehmen überleben dennoch, und sei es auf zombiehafte Weise, weil sie keine Effizienz besitzen müssen. Wenn das weltweit Schule macht, können wir unsere alten Honecker-Witze reanimieren. – Derweil präsentieren die Umweltbank und einige weitere Institute die ethisch korrekte Geldanlage. Waffengeschäfte, Atom und dergleichen werden als Investitionen nicht angeboten. Grüne Gentechnik auch nicht. Was an der allerdings unethisch sein soll, ist ein völliges Rätsel. Grüne Gentechnik rettet Leben in der Dritten Welt, Stichwort „Golden Rice“, von dem 250 Millionen Kinder profitieren könnten, weil er Mangelerkrankungen verhindert. Wer so etwas ablehnt und noch als „ethisch“ verkauft, hat entweder beschränkte Verstandeskraft und/oder ideologisch verzerrte Wahrnehmung. Das sollte man nicht noch mit seinen Ersparnissen belohnen. Wie es gehen kann, sieht man an einigen Fonds: Pioneer zum Beispiel hat einen Fonds im Programm, der auf ökologisch orientierte Unternehmen setzt und seinen Wert allein seit 2009 mehr als verdoppelt hat. Er streut sehr breit über Industrie und Konsumgüter bis hin zu Energieunternehmen – wie es andere international aufgestellte Eco-Aktienfonds auch tun. Da ist von deutscher Zopfigkeit nichts zu spüren, und Vorurteile haben für professionelle Anleger ebenfalls keinen Reiz. Während hiesige Niedrigzins-Opfer nach jedem Strohhalm greifen und windige Anbieter von Prokon bis Solarworld sich schieflachen, investiert die Welt schon längst ins Gute & Schöne, und der Anleger wird dabei nicht ganz grün im Gesicht. Kaum irgendwo sonst ist „gut gemeint“ so dermaßen das krasse Gegenteil von „gut gemacht“. Das Unding Reinhard Schlieker ZDF Wirtschaftskorrespondent BÖRSE 06 am Sonntag · 1 1 | 201 4 Schliekers Woche Kolumne


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