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BaS_Print_02_2014

Lebensart  AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen Trading  fonds  Zertifikate  rohstoffe Im Gespräch BaS: Die Ressource Öl wird bald verbraucht sein. Welche Rolle könnte der Wald in der Zukunft bei der Ressourcenverteilung spielen? Guttenberg: In Deutschland entfallen derzeit rund 60 Prozent der Holzverwendung auf die stoffliche und rund 40 Prozent auf die energetische Nutzung. Damit ist Holz als Roh- und Werkstoff zwar unterrepräsentiert, spielt aber bereits jetzt eine große – in Zukunft noch größere – Rolle. Gerade bei der Substitution anderer Wertstoffe kommt Holz inzwischen eine wachsende Bedeutung zu. Die Anwendungspalette von Holz ist gigantisch und die zukünftigen Einsatzbereiche des Rohstoffes werden die heutigen in ihrer ökonomischen und ökologischen Wirkung noch um ein Vielfaches übertreffen. BaS: Warum ist Holz die effizienteste Lösung für das Klimaproblem? Guttenberg: Im Rahmen der Energiewende gewinnt der heimische Rohstoff Holz eine immer wichtigere Rolle als Teil einer „Green Economy“. Der Rohstoff Holz bietet im Vergleich zu seinen Mitbewerbern Vorteile und ein Potential, das tatsächlich zur Effizienzsteigerung, zum Rohstoffwandel und zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung beitragen kann. Es gibt keine Technologie und keinen Rohstoff, der die Bereiche CO2-Senke, - Speicher und -Substitution in dieser einzigartigen Weise verbinden kann. Und das vor unserer Haustüre: Unser deutscher Wald bindet jährlich rund 110 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Durch die jährliche Produktion von Schnittholz werden knapp 20 Millionen Tonnen CO2 langfristig gespeichert und die kombinierte thermische und stoffliche Verwertung kommt auf einen jährlichen Substitutionseffekt von 128 Millionen Tonnen CO2. Diese Leistungsbilanz ist nicht zu übertreffen. BaS: Weshalb wird bei der Rede von Erneuerbaren Energien immer nur Wasser, Wind und Sonne gesprochen, und das Thema Holz eher beiläufig behandelt? Guttenberg: Bei den erneuerbaren Energien redet ganz Deutschland von Wind, Wasser und Sonne. Rund 70 Prozent der erneuerbaren Energien stammt jedoch aus Biomasse. Davon rund die Hälfte aus fester Biomasse, also Holz. Warum diese Tatsache von der Politik beflissentlich übersehen wird, lässt Ursachen nur erahnen. Unser Problem ist wahrscheinlich, dass wir im Lobbychor der stimmgewaltigen vier grossen Stromproduzenten und gut ausgestatteten Industrie nicht gehört werden. Das muss und wird sich ändern. BaS: Warum sind Nutzungsverzichte zugunsten der Biodiversität unmoralisch? Greenpeace argumentiert da ganz anders! Guttenberg: Hier geht es um blinden Aktionismus zur Spendenakquise sogenannter Umweltverbände. Das ist geschäftstüchtig und legitim. Hier wird aber zugleich ein gesellschaftspolitisches Prinzip in Frage gestellt, dass, aus der Forstwirtschaft kommend, ein möglicher Pfad in eine erträgliche Zukunft wäre. Wir müssen all jene, die hier absurde Forderungen stellen, darauf hinweisen, dass es unverantwortlich, ja, sogar unmoralisch ist, durch Nutzungsverzichte hier in Europa die Produktion in andere Gebiete unserer Erde zu verlagern, die nachweisbar nicht nachhaltig bewirtschaftet werden. Mit jedem Festmeter, auf den wir hier verzichten, wächst der Druck auf die Primärwälder. Wenn ich heute in Deutschland auf fünf Millionen Festmeter aus luxusbegründeter Ideologie verzichten will, dann hole ich sie mir morgen aus Togo, Indonesien oder Brasilien. So erschreckend einfach ist es. BaS: Was können die deutschen Waldbesitzer gegen den Klimawandel tun? Guttenberg: Der Wald ist beim Klimawandel Opfer und Retter zugleich. Keine andere Ressource, keine Technologie oder Rohstoff birgt soviel Potential und ist ebenso betroffen. Die nachhaltige Bewirtschaftung unserer Wälder und die Bereitstellung des Klimajokers Holz ist bereits der beste Beitrag, den wir als Waldbesitzer gegen den Klimawandel leisten können. Doch auch für uns gilt, dass mit den sich veränderten Klimabedingungen das Risiko steigt, unsere Forstwirtschaft risikoreicher wird. Abgesicherte Klima-Anpassungsstrategien sind derzeit leider noch nicht verfügbar. Was wir benötigen sind klimaplastische, vitale Mischwälder, mit standortangepassten, marktorientierten Baumarten. Es geht hier letztlich auch um größtmögliche Flexibilität in der Bewirtschaftung und Risikostreuung. Die ökologische Verantwortung und das ökonomische Risiko liegen nach wie vor beim Eigentümer. Quelle: Tabula Rasa, www.tabularasamagazin.de BÖRSE 67 am Sonntag · 1 1 | 201 4


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